Flüchtlinge!
- Christiane Krieger-Boden
- 28. Jan. 2016
- 10 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Jan. 2021
Als die ersten größeren Flüchtlingsströme im August/ September 2015 am Münchener Hauptbahnhof mit Hurrarufen und Freudentaumel begrüßt wurden, fand ich das gelinde gesagt naiv. Denn so sehr man diesen von den Schrecken des Krieges und einer gefahrvollen Flucht gezeichneten Menschen den warmen Zuspruch gönnt, so sehr kann mit ihrer Zuwanderung in unserer Gesellschaft vieles gründlich schiefgehen – zumindest ist uns eine schwere Verantwortung für die weitere Entwicklung auferlegt. Die zupackende Hilfsbereitschaft vieler freiwilliger Helfer finde ich dagegen gerade angesichts dieser Verantwortung bewundernswert – und sehr notwendig. Denn eine intensive Betreuung der Flüchtlinge ist zweifellos eine notwendige Voraussetzung dafür, dass sie zum Erfolg für unsere Gesellschaft werden können.
Im Jahr 2015 sind in Deutschland 1,1 Millionen Flüchtlinge registriert worden (von denen nicht alle in Deutschland geblieben sind), 442 Tausend haben einen Asylantrag gestellt. Generell hat es in Europa natürlich immer Migrationsströme gegeben, insbesondere, aber nicht nur, innereuropäische; sie haben mitgeprägt, wie und was wir heute sind (jüngere Beispiele: holländische Remonstranten in Friedrichstadt ab 1621, Zuwanderer in Preußen ab 1661, darunter französische Hugenotten ab 1685, polnische Bergleute im Ruhrgebiet ab 1880, Vertriebene der ehemaligen deutschen Ostgebiete ab 1945). Viele sind Erfolgsgeschichten geworden, wenn auch meist erst nach langer Eingewöhnungsphase, ja Assimilation, und oft nicht ohne Konflikte, Rückwanderungen und Druck von oben.[1] Und Deutsche haben von der Chance, ihrerseits in anderen Ländern zuwandern zu dürfen, profitiert (zum Beispiel verfolgte jüdische oder oppositionelle Deutsche während der Nazizeit).
Zur Ökonomie von Migration
Vom ökonomischen Standpunkt aus ist Zuwanderung ein Gewinn, wie aus einer Vielzahl von Studien hervorgegangen ist: für die Aufnahmeländer, für die Herkunftsländer, für die Migranten selbst. Aufnahmeländer wie Deutschland, die zu vergreisen drohen, brauchen Zuwanderung, und das nicht mal so sehr, um künftige Rentenzahlungen abzusichern – das ließe sich auch mit Produktivitätssteigerungen, weiterer Mobilisierung von Frauen und Hinausschieben des Renteneintritts ganz gut bewältigen –, sondern vor allem, um geistig und sozial nicht zu verknöchern. Befürchtungen in den Aufnahmeländern, die Migranten würden Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen oder deren Löhne senken, sind dagegen immer wieder widerlegt worden. Denn die Migranten sind anfangs meist in anderen Segmenten des Arbeitsmarktes tätig als die Einheimischen, und später tragen sie selbst zum Wachstum der Volkswirtschaft bei, welches sie dann auch mit nährt. Bei demographisch bedingtem knapper werdendem Arbeitsangebot werden sie zunehmend gebraucht, um Lücken zu füllen.[2] Auch das Argument, die Migranten trieben im bereits dicht besiedelten Europa Mieten und andere Konsumentenpreise zulasten der ärmeren Einheimischen hoch, ist angesichts des Bevölkerungsrückgangs wenig relevant.
Die Herkunftsländer profitieren vor allem von den Geldüberweisungen der Migranten an die zurückgebliebene Familie, außerdem von den erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen der Migranten, die diese ihren Familien vermitteln oder die sie mitbringen, wenn sie heimkehren. Es hat sich gezeigt, dass dieser „Braingain“ größer ist als der oft befürchtete „Braindrain“ durch Verlust der qualifiziertesten Arbeitskräfte des Herkunftslandes, abgesehen vielleicht von den allerärmsten Herkunftsländern.
Die Migranten selbst müssen bei oft allzu hoch gesteckten Erwartungen manche Enttäuschung hinnehmen, was sie in psychische Probleme bringen kann, sind aber insgesamt meist besser dran als vor ihrer Wanderung; spätestens die zweite Generation kann oft im Bildungsniveau aufholen und den sozialen Aufstieg beginnen.
Angesichts dieser positiven Bilanz sind viele Ökonomen und Liberale geradezu enthusiastisch hinsichtlich des Nutzens von Migration. Sie sehen die Freiheit zu wandern als Menschenrecht, das direkt aus der Gleichwertigkeit aller Menschen folgt: Warum sollten einem in Malawi (dem gegenwärtig ärmsten Land der Welt) geborenen Kind nicht die gleichen Lebenschancen zustehen, wie sie für ein in Deutschland geborenes Kind selbstverständlich sind?
Migration und Integration
Diese rein ökonomische Sicht übergeht aber soziale Zusammenhänge. Menschen brauchen und schaffen sich Identitäten, die sich sowohl aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe (z.B. einer Region, Nation, Religion) wie aus der Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen herleiten, ob einem das nun gefällt oder nicht. Und daraus können sich Konflikte ergeben, die im schlimmstem Fall zur Vorherrschaft einer Gruppe über die andere oder zu Bürgerkriegen führen können. Von unkontrollierter Zuwanderung profitiert die einheimische Bevölkerung daher nicht in jedem Fall (Beispiele: Indianer in Nordamerika; Palästinenser in Israel; noch einmal Israel: die zuerst eingewanderten säkularen gegenüber den später eingewanderten religiös-orthodoxen Juden; Jesiden und andere normale Syrer und Iraker gegenüber einwandernden Fundamentalisten). Migranten fliehen ja oft aus einem System, das sich durch seine Unfähigkeit, die Gesellschaft effizient, rechtssicher, gewaltfrei und fair zu organisieren, auszeichnet, wie beispielsweise der Entwicklungsökonom Collier[3] betont. Weil die Migranten aber selbst dort sozialisiert worden sind, könnten sie dysfunktionale Gewohnheiten und Bräuche ihrer Heimat mitbringen und sie so weiterverbreiten, so z.B. auch Skidelsky.[4] Dem Recht der Migranten, ihr Los verbessern zu wollen, steht daher das Recht der Einheimischen gegenüber, ihr funktionierendes Gemeinwesen, ihre kulturellen Errungenschaften und ihre Identität schützen und bewahren zu wollen.
Welches sind solche Errungenschaften, die übrigens nicht notwendigerweise alle spezifisch deutsch, sondern allgemein europäisch sind? Die Verfassung mit Gewaltenteilung, demokratischen Wahlen, unabdingbaren Menschen- und Minderheitenrechten und Trennung von Religion und Staat, der Rechtsstaat, die Presse- und Informationsfreiheit, natürlich, aber auch vieles, was über das hinausgeht, was auf dem Papier steht, denn: „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ (Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenforde 1976). Nennen kann man: die eingeübten demokratischen Prozeduren, die Hinterfragung von Autoritäten und Machtansprüchen, die Ablehnung von Absolutheitsansprüchen wie sie aus Religionen oder Ideologien oft abgeleitet werden, der Vorrang des Individuums vor der Sippe oder dem „Stamm“ (wie immer definiert), die Säkularisierung des Alltags (“secularization is Christianity’s gift to the world”, so der Philosoph Larry Siedentop[5]), weitgehende (und fortschreitende) Akzeptanz der Früchte der Aufklärung, die damit einhergehende (immerhin verbreitete und wachsende) Toleranz für Geschlechter, Religionen, Ethnien, sexuelle Orientierungen, usw., verbunden mit der Bereitschaft, mit den Menschen dieser verschiedenen Geschlechter, Ethnien, Religionen auf gleichberechtigter offener Ebene zusammen zu arbeiten und zu leben, schließlich die (jedenfalls weitgehende) Abwesenheit von Korruption und mafiösen Verbünden. Zur (deutschen) Identität gehört zudem die gemeinsame Sprache, gemeinsame Geschichte (wäre doch beispielsweise eine eher erschreckende Vorstellung, wenn Deutschland sich nicht mehr zu seiner Nazi-Vergangenheit bekennen würde, weil ein großer Bevölkerungsteil aufgrund seines persönlichen Migrationshintergrunds keinerlei Verantwortung dafür oder Beziehung dazu empfindet) und ein Pool an gemeinsamen Erinnerungen/Sprüchen/Geschichten, von Kinderreimen, Fernsehereignissen, Schlagern, Filmen bis zu Werbespots. All solche Gemeinsamkeiten erleichtern es, den jeweiligen Kontext zu verstehen, aus dem heraus ein Gegenüber spricht und handelt – sogar dann, wenn dieses Gegenüber Positionen einnimmt, die einem missfallen –, und sie reduzieren diffuse Gefühle von Fremdheit und Misstrauen. Vielen Migranten dürfte vieles davon weder bekannt, selbstverständlich, noch überhaupt auch nur erstrebenswert erscheinen. Um einen daraus entstehenden Antagonismus verschiedener Gruppen in der Einwanderergesellschaft zu überwinden, braucht es Integration in eine gemeinsame Identität,[6] die nicht ausschließlich aber maßgeblich vom Wertekanon des Aufnahmelandes geprägt sein muss.
Wovon hängt der Integrationserfolg ab? Nach Collier und ähnlich auch Skidelsky ist die Größe der jeweiligen Kolonie eines Herkunftslandes in einem Aufnahmeland ein Dreh- und Angelpunkt hierzu. Die „Kolonie“ meint dabei nicht alle Einwanderer eines gleichen Herkunftslandes, sondern nur diejenigen, die explizit und umfassend noch die Werte ihrer alten Heimat leben, soziale Beziehungen nahezu ausschließlich untereinander und mit der alten Heimat pflegen und oft auch gemeinsam in bestimmten Quartieren leben. Solche Kolonie wächst durch Zuzug von Migranten von außen, u.U. auch durch eine (zunächst) höhere Geburtenrate der Migranten, und sie schrumpft durch Integration ihrer Mitglieder in die Gesellschaft des Aufnahmelandes – normalerweise wird es da eine Balance geben. Je schlechter allerdings die gesellschaftlichen Bedingungen im Herkunftsland, umso mehr Migranten wird es geben, und je größer die Distanz zur Kultur des Aufnahmelandes, desto schwieriger fällt die Integration – dann wächst die Kolonie. Je größer die Kolonie aber ist, desto weniger Anreiz und Druck gibt es, sich der Gesellschaft des Aufnahmelandes anzupassen, und desto attraktiver wird sie für weitere Migranten aus dem gleichen Herkunftsland. Jenseits eines gewissen Schwellenwertes wird die Kolonie daher immer weiter anwachsen und kann als „Parallelgesellschaft“ zum Problem für die Einwanderungsgesellschaft werden.[7] Eine Steuerung der Zuwanderung ist daher notwendig, um die Funktionsfähigkeit der Einwanderungsgesellschaft zu bewahren. Sie ist auch im Interesse aller Menschen, denn funktionierende und prosperierende Gesellschaften nutzen nicht nur unmittelbar denjenigen, die dort leben, sondern sie stellen auch ein Modell mit Vorbildcharakter für andere, schlecht funktionierende Gesellschaften dar.
Kritik an Collier
Zwei Migrationsforscher, Clemens und Sandefur, haben an Colliers Buch heftige Kritik geübt und ihm Polemik vorgeworfen.[8] Doch wenn Colliers Buch eine „Polemik“ ist, dann ist es diese Rezension erst recht. Sie arbeitet sich an einigen Nebenaspekten ab, bei denen man manchmal die Kritik teilen mag, manchmal auch nicht, geht aber auf das Hauptargument des Buches (die Bedingungen für erfolgreiche Integration) überhaupt nicht ein. Damit geben die Autoren Collier implizit Recht, der mit seinem Buch expressis verbis ein Tabu des sozialwissenschaftlichen Mainstreams durchbrechen möchte – für sie bleibt das Tabu offensichtlich bestehen und sie werfen ihm stattdessen vor, außerhalb der akademischen Forschung zu stehen. Keine Überraschung vermutlich für Collier: „Ich weiß genau, dass dieses Unterfangen Risiken birgt – wie jeder Versuch ein Tabu zu brechen. Die fundamentalistischen Wächter der Orthodoxie stehen mit ihren Fatwas bereit.“ (am Ende von Abschnitt 1 des Buches).
Ein Ärgernis an der Rezension ist, dass die Bezüge nicht genau genannt sind, so dass man nicht leicht nachprüfen kann, ob die Behauptungen der Rezensenten stimmen. So habe ich nicht in Erinnerung, dass Collier aussagen würde, die Migranten gewönnen durch die Migration kaum etwas. Vielmehr betont er meiner Erinnerung nach, dass sie per Saldo sehr wohl gewinnen, auch wenn sie eben nicht nur Vorteile haben. Die Rezensenten suggerieren auch, Collier würde gewisse Vorteile, die Herkunftsländer bei einer Begrenzung der Migration haben könnten, zur Rechtfertigung solcher Begrenzung heranziehen. Auch das habe ich anders verstanden.
Allerdings stützt sich Collier in seinen politischen Schlussfolgerungen vor allem auf das oben beschriebene Recht der Aufnahmeländer, ihr funktionierendes Gemeinwesen, ihr „überlegenes Sozialmodell“, wie er es nennt, schützen und bewahren zu wollen. Deshalb stellt Collier die Fähigkeit und Bereitschaft der Migranten zur Integration in die Zielgesellschaft so sehr in den Mittelpunkt – in der Rezension kommt das Wort Integration dagegen gerade mal einmal und sehr beiläufig vor.
Skizzen einer Migrationspolitik
Man soll sich nichts vormachen: Solange die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika andauern, solange werden auch die Flüchtlingsströme anhalten. 51 Millionen Flüchtlinge gibt es gegenwärtig weltweit. Europa war angesichts dessen lange in einer privilegierten Situation. Während die Nachbarländer des Kongo oder Sudans, oder die Türkei, Jordanien, Libanon, Pakistan seit langem millionenfach Flüchtlinge aufnehmen (müssen), schien uns das Ganze nichts anzugehen. Zunehmend fanden wir die Vorstellung absurd, dass „unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt“ werden müsse – doch nun ist der Zusammenhang wieder deutlicher geworden und Europa, genauer: West-/Mittel-/Nord-/Ost-Europa (denn Spanien, Italien und Griechenland haben ebenfalls schon länger größere Flüchtlingsströme aufgenommen), ist in der Wirklichkeit angekommen.
Obergrenzen zu fordern, widerspricht allerdings dabei nicht nur dem völker- und verfassungsrechtlich gesicherten unbegrenzten Recht auf Asyl, es ist auch praktisch gar nicht durchführbar. Es sei denn wir akzeptierten Stacheldrahtzäune, Mauern und Schießbefehl an unseren Grenzen, und wären bereit gelassen zuzuschauen, wenn Kinder, alte und andere Menschen an diesen Grenzen verhungern oder erfrieren.
Aus all diesem zeichnen sich meiner Meinung nach folgende Eckpunkte einer Asyl- und Einwanderungspolitik ab:
Fluchtursachen bekämpfen: Die meisten Menschen möchten ja gar nicht auswandern, daher sollte internationale Politik darauf abzielen, allen Menschen Frieden, Freiheit und ausreichende Lebensperspektiven in ihrer Heimat zu schaffen. Das dürfte diplomatische Offensiven ebenso wie militärische Einsätze einschließen, und wird selbst im besten Fall jahrzehntelanges Engagement von friedenssichernden Truppen erfordern. Flüchtlingslager in Nachbarschaft von Konfliktherden sollten von der internationalen Gemeinschaft finanziell und organisatorisch großzügigst unterstützt werden. Das könnte bis dahin gehen, Enklaven unter internationalem Recht und Verwaltung zu schaffen, die sich vielleicht zu kleinen „Hongkongs“ entwickeln könnten, wie von Romer („Charta-Städte“) vorgeschlagen.[9] Das alles wird teuer werden, aber das sollte es uns wert sein!
Asyl gewähren: Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen, sollten solange (und nur solange) Zuflucht und Schutz bei uns finden, solange der Zustand in ihrer Heimat anhält; den Unterschied zwischen Asyl- und Duldungsstatus sollte man abschaffen. Integration muss man von Asylberechtigten nicht unbedingt erwarten, sofern diese in ihre Heimat zurückkehren wollen. Sie sind als Gäste zu betrachten und zu behandeln, und man darf im Gegenzug von ihnen erwarten, dass sie sich auch wie Gäste benehmen.
Familiennachzug ermöglichen: Unter den Flüchtlingen sind junge Männer stark überrepräsentiert (43% der Asylantragsteller sind Männer zwischen 16 und 35 Jahren), weil sie oft von ihren Familien als Vorhut auf den gefährlichen Weg geschickt wurden. Perspektivlose frustrierte ungebundene junge Männer werden weltweit oft, nicht ganz zu Unrecht, als Gefährdungspotential angesehen – die nachgezogenen Familien binden diese jungen Männer ein.
Einwanderung steuern: Vom Asyl strikt getrennt ist die Einwanderungspolitik zu sehen. Hier kann man jährliche Kontingente setzen und Bedingungen einfordern, wie Deutschkenntnisse, institutionelle Kenntnisse, bestimmte Qualifikationen, Bekenntnis zur neuen Heimat und Bereitschaft zur Integration (einen Verzicht der Neubürger auf ihre alte Staatsangehörigkeit halte ich dagegen nicht für erforderlich). Es sollte aber jedermann von überall her erlaubt sein, solche Einbürgerung zu beantragen (z.B. an deutschen Konsulaten und Botschaften). Asylberechtigte, die bereits bei uns leben, sollten bei einem Einbürgerungsantrag weder bevorzugt noch benachteiligt werden; sie werden aber vermutlich bei bereits vorhandenen Sprachkenntnissen und bereits erworbenen zusätzlichen Qualifikationen (siehe dazu Punkt 7.) bessere Chancen haben, die Einbürgerungsvoraussetzungen zu erfüllen.
Losverfahren: Ähnlich wie in den USA sollte ein bestimmter kleiner Anteil dieses Kontingents im Losverfahren verteilt werden, damit auch die Ärmsten der Armen und Ungebildeten zumindest eine kleine Chance haben; und damit sich niemand auf die gefährlichen Abenteuer einer Flucht durch die Wüste und übers Meer einlassen muss.
Ius soli (Geburtsortsrecht) statt ius sanguinis (Abstammungsrecht): Bei uns sozialisierte Kinder sollten immer automatisch Bürger unseres Landes sein (man sollte das möglichst nicht so sehr vom Zufall der Geburt abhängig machen, sondern eher von der Anzahl der während der Kindheit bei uns verbrachten Jahre), und wir sollten uns darum bemühen, sie so zu behandeln und zu erziehen, dass sie sich auch als solche fühlen.
Ausbildung und Arbeit fördern: Alle Zuwanderer, ob Asylbewerber oder andere, ob bereits anerkannt oder noch nicht, sollten sofortiges Recht auf Arbeitsaufnahme, Sprach- und Schulunterricht haben. Falls sie irgendwann ausgewiesen werden, kann man die in ihre Ausbildung erbrachten Investitionen als Beitrag zur Entwicklung auch ihres Landes und zur Verbreitung der kulturellen Errungenschaften des Aufnahmelandes verstehen.
Die optimale Ebene, eine solche Politik umzusetzen wäre natürlich die europäische – wir dürfen uns die in Europa bereits erzielten Fortschritte zur Einheit und grenzüberschreitenden Freizügigkeit (Stichwort Schengen) nicht nehmen lassen!
Endnoten: [1] So sind beispielsweise von den „Ruhrpolen“ zwei Drittel(!) entweder weiter nach Frankreich oder zurück nach Polen gewandert, und die Integration der Hugenotten geschah unter dem Druck der Herrscher gegenüber einem mürrischen Volk. Die deutschen Ostvertriebenen weisen noch in der zweiten Generation geringeren wirtschaftlichen Erfolg auf als die vergleichbare westdeutsche Bevölkerung (Thomas Bauer, Sebastian Braun, Michael Kvasnicka. The economic integration of forced migrants: Evidence from postwar Germany. VoxEU, 24 February 2014, http://www.voxeu.org/article/economic-integration-forced-migrants). [2] Nimmt man allerdings Vorhersagen ernst, dass die Roboterisierung des Alltags bald viele einfache körperliche, aber auch geistige Tätigkeiten von Arbeitskräften obsolet machen wird, dann verliert dieses Argument stark an Überzeugungskraft. [3] Paul Collier (2013). Exodus: Immigration and Multiculturalism in the 21st Century. London: Allen Lane. [4] Robert Skidelsky (2015). European Politics With an Islamic Face? Project Syndicate DEC 22, 2015, https://www.project-syndicate.org/print/european-politics-islamic-influence-by-robert-skidelsky-2015-12 [5] Vgl. http://www.theguardian.com/books/2015/jan/27/inventing-individual-origins-western-liberalism-larry-siedentop-review [6] Eine gemeinsame Identität als Mitglieder der deutschen Gesellschaft anzustreben heißt nicht, dass diese auch singulär wäre. Jeder Mensch wird in sich verschiedene Identitäten vereinigen – zusätzlich also beispielsweise auch die Identität als Kind seiner Eltern, als Vater oder Mutter seiner Kinder, die berufliche Identität als Wissenschaftler oder als Schreiner, die Identität als Bayer/ Hamburger und/oder Türkisch-Stämmiger, als Freizeit-Skipper, Zigarrenraucher, Bücherwurm, Langläufer, BVB-Anhänger, Rolling-Stones-Fan usw. [7] Skidelsky meint, historische Beispiele erfolgreicher Integration hätten immer entscheidend von der kleinen Zahl der Immigranten und ihrer kulturelleren Nähe zur einheimischen Bevölkerung abgehangen. [8] Michael Clemens and Justin Sandefur. Let the People Go: The Problem with Strict Migration Limits. Foreign Affairs (12/17/13). [9] Brandon Fuller (2015). Romer on Urbanization, Charter Cities, and Growth Theory. NYU / Stern Blog, 30 April 2015, http://urbanizationproject.org/blog/romer-on-urbanization-charter-cities-and-growth-theory#.Vo-8IP5Ijs0 Thorsten Schröder (2012). Eine Stadt als Start-up. Ein Gespräch mit Paul Romer. Zeitonline, 5. Juni 2012, http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/04/Paul-Romer

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